Abgabe und Zugang einer Willenserklärung
1. Willenserklärung
Definition: Eine Willenserklärung ist eine Erklärungen einer
Person, die eine bestimmte Rechtsfolge bezwecken sollen. Die Willenserklärung
im rechtlichen Sinne ist kein Realakt oder Wissenserklärung.
Beispiel:
Eine Willenserklärung ist zum Beispiel
nicht: "Ich will nach hause!" oder "Gib mir mal die Fliegenklatsche". Auch wenn hier durchaus ein Wille erklärt werden kann. Es fehlt jedoch daran, dass der Erklärende tatsächlich rechtliche Folgen daran knüpft.
Eine Willenserklärung kann empfangsbedürftig (Kündigung, Vertragsangebot) oder nicht empfangsbedürftig (Testament, Auslobung) sein.
Sie können einseitig oder mehrseitig sein.
Beispiele:
-
einseitige Willenserklärung: Kündigung, Testament, Anfechtungserklärung ...
-
mehrseitige Willenserklärung: Vertragsangebot
a) Subjektiver Tatbestand - der Wille
Die Willenserklärung muss willentlich abgegeben werden.
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Erforderlich bei einer Willenserklärung ist der Wille
überhaupt eine Handlung vorzunehmen (z.B. eine Unterschrift zu zeichnen,
ein Wort oder Satz zu sagen) Der Wille zu Handeln nennt sich Handlungswille.
Er ist nicht vorhanden bei Schlafenden, Bewusstlosen oder bei Reflexhandlungen.
-
Weiterhin ist der Erklärungswille erforderlich.
Erklärungswille ist der Wille irgendeine Rechtswirkung zu erzielen.
Der Erklärende muss sich also nicht im Klaren sein, welche Rechtswirkung
er genau erzielt, sondern nur, dass er mit seiner Erklärung überhaupt eine rechtliche Wirkung erzielt und sich bindet.
- Kein Erklärungswille liegt zum
Beispiel vor, wenn ein Vertragspartner, in der Meinung, er unterschreibe
eine Glückwunschkarte einen Vertrag unterzeichnet. Er hat keine Vorstellung davon, dass seine Unterschrift zu einer rechtlichen Bindung führt.
- Ein Erklärungswille ist aber gegeben,
wenn jemand einen Kaufvertrag unterzeichnet in der Meinung, es sei ein
Mietvertrag. Hier besteht ein Bewusstsein, dass das Handeln rechtlich relevant ist. Der Erklärende will sich ja binden, er macht sich nur keine Vorstellung woran er sich bindet.
-
Der Geschäftswille ist der Wille genau die Rechtswirkung
zu erzielen, die auch erklärt wurde. Das Vorliegen eines Geschäftswillen ist nicht erforderlich.
- Der Geschäftswille fehlt zum Beispiel,
wenn jemand einen Arbeitsvertrag unterzeichnet in der Meinung, es sei ein
Aufhebungsvertrag. Der Erklärende hat hier wirksam seine Zustimmung erklärt, da Handlungs- und Erklärungswille vorlagen.
Die Entscheidung, ob bei Abgabe der Erklärung Handlungs- und Erklärungswille vorgelegen haben, erfolgt dadurch, dass man aus der Position eines objektiven Dritten einschätzen muss, wie der Erklärende die Erklärung wohl gemeint hat und was er genau bezweckt hat. (Lehre vom objektiven Dritten)
In der Praxis beurteilt der Richter die
Situation meist nach Anhörung eines Zeugen oder einer Partei und schätzt
ein, wie er die Sache gesehen hätte, wenn er dabei gewesen wäre.
b) Objektiver Tatbestand - die Erklärung
Eine Willenserklärung muss auch abgegeben, d.h. erklärt
werden.
Eine Willenserklärung erfolgt häufig ausdrücklich (schriftlich
oder mündlich). Die Willenserklärung kann jedoch auch konkludent
erfolgen.
Eine konkludente (konkludent = schlüssig) Willenserklärung liegt vor, wenn zwar nicht ausdrücklich
erklärt wird, was man will, aber aus den Umständen hervorgeht,
was gemeint ist.
Beispiel:
Das Hinlegen von 0,80 € und das Wegnehmen einer Zeitung am Zeitungsstand ist auch wenn es wortlos erfolgt eine Willenserklärung, wenn der Verkäufer daran erkennen kann, dass der Erklärende die Zeitung kaufen will.
Vorsicht !
Die konkludente Willenserklärung richtet
sich nicht immer direkt an den Erklärungsempfänger.
Beispiel:
Alois bestellt einen Staubsauger beim Versandhandel Ockermann. Einige Tage später wird ein Staubsauger geliefert. Es handelt sich um ein anderes als das bestellte Modell. Alois sagt sich - es sei ja kein Vertrag zustande gekommen, benutzt den Staubsauger unbekümmert und lehnt die Bezahlung der Rechnung ab. Durch die Benutzung ist hier bereits konkludent das Einverständnis mit dem Vertrag erklärt worden - Anders ist es, wenn Alois an Ockermann schreiben würde, er wolle das Modell nicht, müsse es
jedoch vorübergehend benutzen, da der alte Staubsauger nicht funktioniere. Allerdings setzt er sich hier möglicherweise Schadensersatzansprüchen aus.
c) Abgabe und Zugang einer Willenserklärung
Definition : Abgeben ist das willentliche auf den Weg bringen der Erklärung, so dass unter normalen Umständen mit einem Erhalt der Erklärung durch den Empfänger zu rechnen ist.
Die Abgabe erfolgt unter
Anwesenden durch Äußern der Zugang durch Vernehmen der Erklärung durch den Empfänger.
Unter Abwesenden: muss der Erklärende die Erklärung
so auf den Weg bringen, dass Sie den Empfänger unter normalen
Umständen auch erreicht (Also: keine Flaschenpost!)
Der Zugangerfolgt
durch Eindringen in den Machtbereich des Empfängers und die Möglichkeit
der Kenntnisnahme durch diesen - Telefonhörer, Briefkasten. (Wichtig
für den wirksamen Widerruf)
Versteht der der Erklärungsempfänger das Erklärte
nicht oder falsch, so gilt das als erklärt, was ein vernünftiger durchschnittlicher Dritter verstanden hätte.
Empfängt nicht der Empfänger selbst die Erklärung, sondern
ein Dritter, so kann trotzdem die Erklärung zugegangen sein. Dies
ist nur der Fall, wenn der Dritte Empfangsvertreter war. Empfangsvertreter
sind meist Familienmitglieder oder Angestellte, die zum Empfang von Erklärungen
ermächtigt sind. (Sekretärinnen ja, aber wohl nicht die Putzfrau)
Ist der Dritte nur Empfangsbote, d.h. er hat keine Empfangsvollmacht,
so geht die Erklärung erst zu, wenn Sie den Empfänger oder einen
Empfangsvertreter tatsächlich erreicht. (Empfangsboten können
z.B. Nachbarn sein)
Verweigert der Empfänger die Annahme, so ist die Erklärung
trotzdem zugegangen, wenn die Weigerung unberechtigt war. Bei einer Berechtigten
Weigerung gilt die Erklärung als nicht zugegangen.
Beispiel:
Der E nimmt eine Kündigung nicht entgegen, weil er wegen fehlender Briefmarke Nachporto hätte bezahlen müssen. Die Verweigerung der Entgegennahme war berechtigt, die Kündigung ist nicht zugegangen.
Nimmt er sie jedoch nicht entgegen, weil er
weiß, dass es sich um eine Kündigung handelt, so ist die
Erklärung trotzdem zugegangen. Der Empfang wurde unberechtigt verweigert.
d) Widerruf
Willenserklärungen können im Normalfall
nicht
widerrufen werden. Willenserklärungen die auf den Abschluss eines Vertrages zielen, sind regelmäßig bindend; § 145 BGB.
Eine Ausnahme besteht, wenn das Gesetz ausdrücklich regelt,
dass ein Widerruf zulässig sein soll und im Falle des §
130 BGB.
Der Widerruf bewirkt, dass die Willenserklärung als nicht
abgegeben gilt.
§
130 BGB
Der Widerruf muss dem Erklärungsempfänger
früher
als die eigentliche Willenserklärung oder wenigstens gleichzeitig
zugehen,
d. h. der Widerruf muss früher oder gleichzeitig mit der eigentlichen Willenserklärung in den Herrschaftsbereich des Empfängers
kommen. Der Herrschaftsbereich beginnt bei normaler Briefpost am Briefkasten! Bei Postfächern beginnt der Empfangsbereich mit der Möglichkeit des Empfängers die Post abzuholen, bei Einschreiben jedoch erst mit der tatsächlichen Abholung des Einschreibens von der Post. (Achtung! behördliche Bescheide, Klagen, Mahnbescheide und Ähnliches gelten auch als zugegangen, wenn sie beim Postamt zur Abholung niedergelegt wurden)
Bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Widerrufes ist zunächst
der Zeitpunkt des
Zugangs der Willenserklärung
und dann der Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung zu ermitteln
und der frühere Zeitpunkt festzustellen.
Auf die
Kenntnis des Erklärungsinhaltes
kommt es im Rahmen von § 130 BGB nicht
an!
Weitere gesetzliche Widerrufsmöglichkeiten bestehen
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nach § 312 BGB (vor dem 01.01.2002 § 1 Haustürwiderrufsgesetz) für Geschäfte, die von Verbrauchern in der Wohnung, am Arbeitsplatz auf öffentlichen Wegen und Plätzen oder in Verkehrsmitteln geschlossen wurden. Ein Widerrufsrecht besteht nicht, wenn der Preis geringer als 40,00 € war und sofort bezahlt wurde oder der Vertragspartner zuvor zum Kunden bestellt wurde,
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nach § 495 BGB ( vor dem 01.01.2002 § 7 Verbraucherkreditgesetz) für die Gewährung von Krediten an private Verbraucher über mehr als 200,00 €; allerdings nicht für Überziehungskredite der Bank.
- bei Fernabsatzgeschäften. Dieses Recht findet nur auf Geschäfte zwischen Unternehmer und Verbraucher statt, wenn diese unter Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln (Telefon, E-mail, SMS, Fax, MMS, Webseiten u.s.w.) zustande gekommen ist und der Unternehmer seinen Geschäftsbetrieb auf Geschäftsabschlüsse dieser Art ausgerichtet hat. (Achtung: Insbesondere bei Pauschalreiseverträgen liegt wegen § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB kein Fernabsatzgeschäft vor)
-
bei der Erteilung von Vollmachten § 168 S. 2 BGB
-
bei Erteilung von Aufträgen § 671 Abs. 1 BGB
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