Internationales Privatrecht - Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts
Gerade im Tourismus stellt sich häufig die Frage, wann überhaupt
das deutsche Recht anzuwenden ist.
Deutschmann lebt in Deutschland. Er bucht im Internet mit einer irischen Busgesellschaft einen Busfahrt von
Stuttgart nach Rom. Auf der Internet-Seite eines spanischen Bahnunternehmens bucht er dann die Weiterfahrt per Bahn nach
Neapel. Auch bucht er eine Übernachtung in einem kleinen Hotel in Neapel. Darüber, welches Recht anzuwenden sein soll,
hat er sich keine Gedanken gemacht.
Nun stellt sich die Frage, nach welchem Vertragsrecht Streitigkeiten zu
behandeln sind, nach dem deutschen, italienischen oder irischen Recht.
Allgemeine Anwendbarkeit des deutschen Rechts
Das EGBGB (Einführungsgesetz zum BGB) regelt für die meisten Sachverhalte, welches
Recht gelten soll. Hierbei gilt:
-
Art 40 EGBGB - bei deliktischer Schädigung (z.B. Unfall, unerlaubte
Handlungen ...) ist das Recht des Landes anzuwenden,
-
in welchem die Handlung vorgenommen wurde bzw.
-
der Erfolg eingetreten ist, wenn der Geschädigte dies verlangt,
-
Haben die Beteiligten in dem selben Land ihren Wohnsitz, so ist das Recht
des Wohnsitzlandes anzuwenden
-
Art. 13 EGBGB - bei familienrechtlichen Grundsätzen (z.B. Ehe, Scheidung,
Kindschaftssachen),
-
Art 43 EGBGB - bei sachenrechtlichen Streitigkeiten (z.B. Herausgabe)
-
das Recht des Ortes, an dem die Sache sich befindet
Anwendung des Deutschen Rechts bei Verträgen
Für das Vertragsrecht (Schuldrecht) ließen sich wegen des Grundsatzes
der Vertragsfreiheit jedoch keine allgemeinverbindliche Regelung für alle Verträge finden. Die EU-Verordnung 593/2008
("
Rom I") regelt
seit 2008 inzwischen EU-weit die Anwendung des jeweiligen Landesrechtes auf schuldrechtliche Verträge. Ausgenommen sind
hier Verträge des Familienrechtes, des
Gesellschafts- und Wertpapierrechtes, Gerichtsstandvereinbarungen, vorvertragliche Schuldverhältnisse sowie
Versicherungsverträge.
Art. 3 der VO 593/2008 (gleichlautend mit dem bis 2008 geltenden Art. 27 EGBGB)
legt dabei fest
"Der Vertrag unterliegt den von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich mit
hinreichender
Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen
des Falles ergeben."
Das heißt die Parteien können vereinbaren, welches Recht
gelten soll. Ein Kaufvertrag könnte also in München durch einen Spanier und einen Griechen in Französischer
Sprache, aber nach anglo-amerikanischem Recht geschlossen werden.
Nur dürfen dabei nicht die zwingenden Vorschriften
des deutschen Rechts umgangen werden (z.B. Formvorschrift für Grundstückskaufverträge,
Widerrufsrechte bei Geschäften außerhalb von Geschäftsräumen oder Fernabsatzgeschäften u.s.w.)
Bei der Anwendbarkeit von deutschem Recht bei Auslandsberührung
kommt es daher zu allererst an auf
- die tatsächlichen Vereinbarungen
haben sich die Parteien ausdrücklich darauf geeinigt, welches
Recht anzuwenden ist, braucht eine weitere Auslegung nicht zu erfolgen.
Gab es keine ausdrückliche Einigung auf das anzuwendenden Recht ist zu prüfen, ob sich
möglicherweise eine Rechtswahl
eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages ergibt.
- Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes
Vereinbaren die Parteien, dass im Streitfalle vor einem bestimmten
Gericht geklagt werden soll, so kann diese bedeuten, dass das Recht des Landes
anzuwenden, in welchem dieses Gericht steht.
- Bezugnahme auf die Rechtslage eines Landes
wird im Vertrag auf bestimmte Regeln hingewiesen, die nur ein einem Land gelten, zu dem der Vertrag Bezug aufweist, kann
darin auch der Wille der Parteien liegen, das Recht dieses Landes anzuwenden. Gleiches gilt, wenn auf konkrete
gesetzliche Normen hingewiesen wird.
Geben auch die Bestimmungen des Vertrages keinen Hinweis auf das anzuwendende Recht, so sind zusätzlich die
Umstände
des Einzelfalles heranzuziehen. Sprechen diese überwiegend für das Recht eines Landes, so findet dieses Anwendung.
- Die Vertragssprache, Nationalität der Beteiligten, Vertrags- bzw. Erfüllungsort, Währung
Ist der Vertrag in einer Sprache gehalten und die Parteien haben einer oder beide Herkunftsort oder gewöhnlichen
Aufenthalt in diesem Staat und ist der Vertrag zudem noch in diesem Staat zu erfüllen, so kann man davon ausgehen, dass
die Parteien auch das Recht dieses Staates anwenden wollten.
Erst wenn sich nach Anwendung dieser Regelungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Parteien
sich für die Anwendbarkeit eines Rechtssystems entschieden haben, regelt die Verordnung die Anwendung des Rechtes. Sie
unterscheidet dabei nach der Art des Vertrages.
Für die wichtigsten Verträge im Tourismus wird die Wahl des Rechtes in Art. 4 der VO 593/2008 wie folgt geregelt:
- Kaufvertrag: Gewöhnlicher Aufenthalt des Verkäufers
- Dienstvertrag: Gewöhnlicher Aufenthalt des Dienstleisters
- Mietverträge über unbewegliche Sachen: (z.B. Wohnraummiete) Recht des Ortes, in dem die Sache sich befindet.
Ist der Mieter ein Verbraucher und beabsichtigt die Sache weniger als 6 Monate zu mieten (z.B. Ferienwohnung) und haben
Vermieter und Mieter ihren gewöhnlichen Aufenthalt im gleichen aber anderen Land, als dem der Mietsache, so ist aber das
Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes der Parteien anzuwenden.
- Werkverträge, Miete beweglicher Sachen, Reisevertrag: Gewöhnlicher Aufenthalt der Partei, der die
charakteristische Leistung zu erbringen hat.
- Personenbeförderung: Nach Art. 5 Abs. 2 der VO 593/2008 ist hier im Zweifel das Recht des Landes anzuwenden,
in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat und entweder Abfahrts- oder Zielort liegt. Hat die
Person sowohl ihren Abfahrts- als auch den Zielort in einem Land, in dem sie nicht den gewöhnlichen Aufenthalt hat, gilt
das Recht am Sitz des Beförderers. Bei einer ausdrücklichen Rechtswahl sind hier nur gewöhnlicher Aufenthalt bzw. Sitz
von beförderter Person oder Beförderer sowie die Rechte an Abfahrts- und Zielort wählbar.
Bei
Verbraucherverträgen (Verträge zwischen Unternehmer und Verbraucher) gilt jedoch die Besonderheit, dass stets
das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers anzuwenden ist, wenn der Unternehmer seine Leistungen auch dort
ausübt oder auch nur anbietet (Art. 6 VO 593/2008). Es darf auch das Recht eines anderen Staates gewählt werden. Die
zwingenden Verbraucherschutzvorschriften des nach Art. 6 bestimmten Rechtes dürfen damit aber nicht ausgehebelt werden.
Bei Verbraucherverträgen, bei denen der Unternehmer seine Leistungen nicht am Aufenthaltsort des Kunden anbietet,
richtet sich das anzuwendende Recht nach dem
gewählten Recht bzw. ergänzend nach
Art. 4.
Beispiel:
Für die Busfahrt gilt: Handelte Deutschmann als Verbraucher (z.B. weil er eine Urlaubsreise machen möchte) ist
für die Busfahrt deutsches Recht anzuwenden. Die Fluggesellschaft bietet den Abflug in Deutschland (und möglicherweise
auch eine deutschsprachige Webseite) an. Die Rechtswahl richtet sich nach Art. 6 der VO. Ist Deutschmann kein Verbraucher
(z.B. bei einer Geschäftsreise), ist Art. 5 Abs. 2 der VO anzuwenden. Gewöhnlicher Aufenthalt und Abfahrtsort ist in
Deutschland, also ist deutsches Recht anzuwenden. Wäre eine Rechtswahl getroffen worden, könnte lediglich deutsches,
Italienisches oder irisches Recht angewandt werden.
Für die Bahnfahrt gilt: Findet die Leistung außerhalb von Deutschland statt. Ist Deutschmann Verbraucher kommt es
darauf an, ob der Busreiseanbieter die Leistung in Deutschland anbietet oder erbringt. Hat er z.B. eine deutschsprachige
Webseite, auf der er die Leistungen auch für den deutschen Markt anbietet, ist nach Art. 6 Abs. 1 b) VO deutsches Recht
anzuwenden. Ist dies nicht der Fall, gilt das Recht des Sitzes des Busunternehmens, also Spanien Art. 4 Abs. 2 nach
Verweis durch Art. 6 Abs. 3 VO. Ist Deutschmann kein Verbraucher, sondern Unternehmer, gilt Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO,
also das Recht am Sitz des spanischen Bahn-Unternehmers.
Für die den Beherbergungsvertrag gilt: Ist Deutschmann als Verbraucher in Italien kommt es darauf an, ob das
Hotel seine Leistung auch in Deutschland (z.B. deutschsprachige Webseite, Angebot über deutsche Reisebüros u.s.w.)
anbietet. Ist dies der Fall, wäre nach Art. 6 Abs. 1 b) VO 593/2008 deutsches Recht anzuwenden. Befindet sich Deutschmann
als Unternehmer auf Geschäftsreise, regelt Art. Art. 4 Abs. 1 d) bzw. c) der VO die Rechtsanwendung. Es gilt deutsches
Recht, wenn der Betreiber des Hotels ebenfalls in Deutschland sitzt (d)). Ist dies nicht der Fall, wird italienisches
Recht anzuwenden sein, da sich die Mietsache in Italien befindet.
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